Gedichte und Geschichten von Josef Festing
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Blutsbrüder
Blutsbrüder
(Eine Geschichte aus der Kindheit
von Josef Festing)

Ich hatte als Kind das Glück, in meinem Bruder einen fast gleichaltrigen Spielkameraden zu haben. Uns trennten lediglich 16 Monate voneinander, die ich älter war als er, und ich verstand mich sehr gut mit ihm. Er hieß Reinhard und war, ähnlich wie ich auch, für sein Alter eher klein und schmächtig. In der Nachbarschaft wohnte ein Junge namens Alfons. Er war der Sohn eines Bauern und hatte eine kräftige Statur, man könnte auch sagen, er war ein wenig zu dick. Aber, das störte uns nicht. Auf Grund seiner gutmütigen und hilfsbereiten Art waren Reinhard und ich froh, ihn als Freund zu haben. Als Bauernsohn musste er, im Gegensatz zu uns, schon als Kind häufig auf dem Bauernhof mithelfen. Sein älterer Bruder Willi schien ständig aufzupassen, dass Alfons sich nicht vor seinen Aufgaben drückte. Das tat dieser aber des Öfteren, und es zog ihn dann meistens zu uns. Da unsere Familie als eine der ersten im Dorf einen Fernseher besaß, stand Alfons gelegentlich vor unserem Wohnzimmerfenster und schaute hinein. Er hielt dabei stets beide Hände als Lichtschutz über die Stirn und stützte sich mit ihnen an der Fensterscheibe ab. So war es ihm möglich, ohne geblendet zu werden, wenigstens ein paar Szenen im Fernseher zu verfolgen, bevor sein Bruder ihn aufstöberte und ihn wieder zur Arbeit antrieb. Die Aufforderung unserer Mutter an ihn, doch lieber ins Wohnzimmer zu kommen, beantwortete Alfons stets mit den Worten: "Nein Danke, ich muss gleich wieder weiter arbeiten!" Er blieb dann aber häufig bis zum Ende des Films am Fenster stehen und konnte sich nicht losreißen. Besonders dann, wenn es unsere Lieblingsserien Lassie oder Fury gab. Ich weiß noch genau, wie es war, wenn Willi seinen Bruder mal wieder vor unserem Wohnzimmerfenster fand, anstatt das Holz im Schuppen zu stapeln oder den Schweinestall auszumisten. Willi zog ihn wütend vom Fenster weg, in das Alfons Sekunden zuvor noch mit geöffnetem Mund wie gebannt hinein gestarrt hatte. Er versuchte sich dann in der Regel aus Willis Griff zu befreien und wehrte sich mit Worten wie: "Der Film ist gleich zu Ende, ich komme dann sofort, lass' mich in Ruhe!" Aber Willi war stets unnachgiebig, und es entwickelte sich so häufig ein handfester Streit zwischen den beiden Brüdern. Alfons tat mir damals in solchen Situationen immer sehr leid. An Willis Lage habe ich überhaupt nicht gedacht. Dass er als ältester Sohn auf dem Bauernhof sonst die ganze Arbeit hätte allein machen müssen, ist mir gar nicht in den Sinn gekommen. Ich stand stets nur auf der Seite von Alfons, aber helfen konnte ich ihm auch nicht.

Aber, es gab auch immer wieder Zeiten, in denen Alfons nach der Schule nicht auf dem Hof helfen musste. Dann zog er mit Reinhard und mir, meist auf der Suche nach Abenteuern, durch das Dorf und die nähere Umgebung. Wir hatten uns als Blutsbrüder ewige Treue geschworen. Ob wir uns mit einem Taschenmesser tatsächlich blutende Schnitte an den Händen oder sonst irgendwo zugefügt haben oder es nur beim Versuch blieb, dies zu tun, weiß ich nicht mehr. Aber wir fühlten uns jedenfalls wie echte Blutsbrüder. Alfons hatte meinem Bruder und mir schon des Öfteren aus misslichen Situationen geholfen, dabei spielten seine Körperkräfte meist eine wichtige Rolle, so dass er bei unseren Unternehmungen immer die Rolle des Helfers zugewiesen bekam. Reinhard hatte sich darin ausgezeichnet, in gefährlichen Situationen stets den ersten Schritt zu machen, sei es aus mehreren Metern Höhe herunter zu springen oder über einen Baumstamm zu balancieren, der quer über einen Bach führte. Und ich war schließlich derjenige, der keine Hemmungen hatte, Dinge, seien sie auch noch so eklig, anzufassen. So zogen wir durch die Gegend wie drei Musketiere: der Allestrauer, der Allesanfasser und der Helfer. Und es ging stets darum, seine Rolle möglichst perfekt auszufüllen.

Eines Tages entdeckten wir im Silo hinter der Scheune eine Ratte, die unter einem großen Stein verschwunden war. Der Silo war leer und ca. 2 Meter tief. Nun ergab sich zunächst die Frage, wer diesen gefährlichen Auftrag zu erfüllen hatte. War es der Allestrauer oder der Allesanfasser? Doch schnell einigten wir uns darauf, dass dies eine Aufgabe für den Allesanfasser sein musste. Es galt hier schließlich, etwas äußerst Ekliges mit den Händen zu berühren. Wir besorgten uns deshalb zunächst aus der Scheune ein Seil. Alfons hielt es an einem Ende mit beiden Händen fest, während ich mich an ihm langsam in den Silo hinabließ. Unten angekommen, bewegte ich mich vorsichtig auf den am Boden liegenden großen Stein zu, unter dem die Ratte sich verkrochen hatte. Alfons und Reinhard standen am Rand des Silos und schauten gebannt zu, wie ich den Stein langsam anhob. Ich hatte einen Stock in der Hand, den mir einer von beiden herunter geworfen hatte. Plötzlich sprang die Ratte hervor und lief wie aufgescheucht an den Innenwänden des Silos entlang immer im Kreis um mich herum. An den glatten Wänden hoch zu klettern, war sie offensichtlich nicht der Lage. Ich konnte mich gar nicht so schnell drehen, wie die Ratte mich umkreiste. Doch mit einem Mal entschied sie sich, direkt auf mich zuzulaufen. Ich hatte eine Jeans mit breitem Schlag an, was dem damaligen modischen Trend entsprach. Ehe ich mich versah, schlüpfte die Ratte in mein linkes Hosenbein und versuchte darin hoch zu krabbeln. Ich war zunächst wie benommen. Als ich jedoch die Tragweite der Situation begriff, befand sich die Ratte bereits auf Kniehöhe. In panischer Angst schlug ich wie wild mit dem Stock, den ich in der rechten Hand hielt, mehrmals auf mein Bein, in der Hoffnung, die Ratte zu treffen und sie von ihrem weiteren Aufstieg in für mich noch unangenehmere Bereiche abzuhalten. Tatsächlich gelang mir dies auch. Ich weiß nicht mehr, ob ich dabei auch geschrien habe, aber das Tier bewegte sich plötzlich wieder nach unten und schlüpfte aus meinem Hosenbein heraus. Ich hatte einmal gehört, dass eine Ratte in der Lage sei, sich in einer Gefahrensituation in ihren Gegner zu verbeißen und nicht wieder loszulassen, es sei denn, man zerbräche ihren Kiefer. Ich war mehr als erleichtert, dass "meine" Ratte, nicht auf diese dumme Idee gekommen war? Stattdessen verschwand sie in Windeseile wieder unter dem großen Stein auf dem Boden des Silos. Ich glaube, ich bin in meinem Leben nie mehr so schnell an einem Seil nach oben geklettert, wie an diesem Tag. Sicher auch durch Alfons Hilfe, der seine sämtlichen Kräfte aufwandte und mich mit dem Seil nach oben zog. Reinhard und er prusteten vor Lachen, während ich erschöpft auf der Erde saß und den Schreck erst einmal verdauen musste. Wir wussten, dass wir die Angelegenheit so nicht auf sich beruhen lassen konnten. Wir durften uns doch nicht von einer harmlosen Ratte in die Flucht schlagen lassen. Aber niemand von uns war mehr bereit, noch einmal in den Silo zu steigen. Deshalb holten wir Moppi, den schon etwas abgehalfterten langhaarigen Hofhund, zu Hilfe. Wir banden das Seil um seinen Körper, und Alfons ließ ihn anschließend vorsichtig in den Silo gleiten. Moppi strampelte zwar ein wenig, aber unten angekommen, begann er sofort, den Boden zu beschnüffeln. Er bewegte sich zielstrebig auf den großen Stein zu und wurde dabei immer aufgeregter. Er beugte seinen Kopf zur Seite und versuchte, mit der Schnauze unter den Stein zu gelangen. Plötzlich kam die Ratte auf der gegenüberliegenden Seite des Steins zum Vorschein und lief erneut zur Innenwand des Silos, um wieder ihren bekannten "Kreislauf" zu vollführen. Moppi sprintete hinter ihr her und schon nach ein paar Metern gelang es ihm, die Ratte einzuholen. Mit einem Biss schnappte er das Tier und schleuderte es kräftig hin und her. Sein Knurren war Furcht einflößend. Nach einer Weile ließ er die Ratte auf den Boden fallen. Sie bewegte sich nicht mehr. Wir zogen Moppi mit vereinten Kräften am Seil baumelnd aus dem Silo und feierten ihn wie einen Helden. Moppi hatte ganze Arbeit geleistet und unsere Ehre wieder hergestellt. Mein Verhältnis zu Ratten ist seit jenem Tag als distanziert zu bezeichnen, und es reizt mich nicht im geringsten, mich jemals wieder mit einem Exemplar dieser Spezies einzulassen. Und Schlaghosen können mir auch gestohlen bleiben!



von links: Monika, Birgit, Alfons, Michaela, Marita, Josef, Reinhard




von links: Elfriede, Josef, Alfons, Willi, Birgit, Margret, Reinhard, Michaela
 
   
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