Gedichte und Geschichten von Josef Festing
Gedichte  
  Home
  Gästebuch
  Die Kastanie
  Rekordverdächtig
  Der Ohrenkneifer
  Vom Regen in die Traufe
  Ein Traum verleiht Flügel
  Das Eichhörnchen
  Die Hummel
  Innere Werte
  Mit etwas Glück
  Frühlingsgefühle
  Die Moritat von der Mücke
  Der Hase
  Die Zecke
  Die Blattlaus
  Echo
  Keine Panik
  Die Raupe
  Frommer Wunsch
  Eisfüße
  Der reinste Genuss
  Das Küken
  Schwer bekömmlich
  Der Specht
  Die Feldmaus
  Die Pointe
  Der Regenwurm
  Die Spinne
  Der Igel
  Die Fledermaus
  Der Kuckuck
  Froschperspektive
  Fehlgriff
  Der Infekt
  Die Kaulquappe
  Die Wühlmaus
  Der Maulwurf
  Grillen im Sommer
  Pilze
  "Fleder-Mauser"
  Körperflüssigkeiten
  Insektenflug
  Die Mausefalle
  Die Wespe
  Die Zwiebel
  Der Sonnenbrand
  Zum Geburtstag
  Die Tomate
  Wärme im Herzen
  Die Weihnachtsmaus
  Die Weihnachtsspinne
  Der Tannenbaum
  Fehlentscheidung
  Schleimer
  Schlechte Aussicht
  Wie das Leben so spielt
  Warten
  Hitze
  Essen mit Bedacht
  Tier-Rätsel
  Der kleine Bär
  Die Prüfung
  Die alte Linde
  Nicht vergebens
  Was bleibt
  Kraft für's Leben
  Hoffnung
  Am Ufer
  Lebensglück
  Tief verletzt
  Frühlingshauch
  Schauspiel des Frühlings
  Ode an den Frühling
  Mein Garten
  Die Runkelrübe
  Der Schädel
  Blutsbrüder
  Geglückte Bruchlandung
  Unser Freund Alfons
  Fliegende Hitze
  Hühner
  Taratatahiti
  Die Rache des Klettenhundes
  Erschütternde Erkenntnis
  Altersweisheit
  Daunen und Bambus
  Tschüss, kleine Hummel
  Die Maus Uschi und der Zauberring
  Nora und ihr Norkelchen (Teil 1 und Teil 2)
  Counter
Erschütternde Erkenntnis


Erschütternde Erkenntnis

(von Josef Festing)

In diesem Jahr verging so gut wie kein Tag, an dem ich nicht in unserem Garten war. Als Rentner hat man ja genügend Zeit, seinen Hobbys nachzugehen. Und die Gartenarbeit steht bei mir neben dem Fußball an oberster Stelle. Es gibt für mich kaum etwas Schöneres, als seinen Garten nach eigenen Vorstellungen zu gestalten und sein Augenmerk auf die darin befindliche Pflanzen- und Tierwelt zu richten. Der Aufbau eines neuen Hochbeetes sowie die Errichtung eines Insektenhotels haben mich dabei ebenso fasziniert wie das Beobachten und Fotografieren von Vögeln und Wildbienen. An einem herrlichen Tag im Hochsommer hatte ich, wie so häufig in diesem Jahr, den Rasen gemäht und war gerade damit beschäftigt, den Rasenmäher zu reinigen, als ich aus der Nachbarschaft laute Musik vernahm. An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass der zu unserer Wohnung gehörende Garten in einem Park ähnlichen Areal in der Innenstadt Braunschweigs liegt. Riesige Bäume ringsherum vermitteln einem den Eindruck, dass man sich eher in freier Natur als inmitten einer Großstadt befindet. Mit Ausnahme eines hohen Kirchturms sind im Sommer von dort aus keinerlei Gebäude zu sehen. Die Musik, die ich an diesem Tag hörte, kam unverkennbar von einem ca. 200 m entfernten Senioren- und Pflegeheim. Da ich während meiner langjährigen beruflichen Tätigkeit bei der AWO immer wieder enge Berührungspunkte mit der Altenhilfe hatte, war mir klar, dass es sich hier um eine Art Sommerfest des nahegelegenen Seniorenheims handeln musste. Denn die Musik, die aus einer Lautsprecheranlage erschallte und, wie zu vernehmen war, von einem DJ aufgelegt wurde, entsprach exakt meiner Vorstellung von „Alte-Leute-Musik“. Ich hörte die helle Stimme eines holländischen Jungen, die ein langgezogenes „Maaaaamaaaaa“ von sich gab. Vor meinem inneren Auge erschien das Bild einer älteren Dame im Rollstuhl, die sich der im Liedtext gemachten Aussage zum Trotz, doch bitte nicht zu weinen, vor lauter Rührung dennoch eine Träne aus den Augenwinkeln drückt. Als nächstes wurde „Da sprach der alte Häuptling der Indianer“ von Gus Backus gespielt. Ich musste schmunzeln, denn ich kannte das Lied von einer Schallplatte, die meine Eltern in früheren Jahren des Öfteren auf dem alten Plattenspieler gehört hatten. Auf der Rückseite dieser Single-Schallplatte befand sich damals, wie ich mich gut erinnern konnte, das Stück „Der Mann im Mond“. Ich überlegte, ob Gus Backus dieses Lied wohl schon vor oder erst nach der ersten Mondlandung der Amerikaner geschrieben haben mochte. Diesen Gedanken noch nicht ganz zu Ende gedacht, ertönte auch schon die mir bekannte Melodie des „Mann im Mond-Liedes“ aus den nur wenige hundert Metern entfernten Lautsprechern. Und so ging es nahezu ununterbrochen weiter mit Titeln wie „Zwei kleine Italiener“ (Conny Froboess), „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“ (Willy Fritsch und Magda Schneider) und „Weiße Rosen aus Athen“ (Nana Mouskouri). So wurde meine Gartenarbeit an diesem Nachmittag mit harmonischen Klängen „seniorengerechter Schnulzenmusik“ untermalt, was mich aber keineswegs störte. Ich ertappte mich sogar dabei, dass ich beim Säen einer neuen Reihe Radieschen der Marke „Riesenbutter“ die einzelnen Samenkörner im Rhythmus der Musik in die zuvor auf dem Hochbeet gezogene Furche hineinlegte.



Doch dann geschah etwas vollkommen Unerwartetes für mich. Wie aus einer anderen Welt drangen plötzlich die äußerst markanten Klänge einer E-Gitarre an mein Ohr, begleitet vom rhythmischen Hämmern eines Schlagzeuges. Dass es sich bei diesem Stück um „Smoke on the water“ von der Gruppe Deep Purple handelte, war mir schon nach den ersten drei Tönen klar, was keine besondere Leistung darstellt. Überrascht und ungläubig blickte ich in die Richtung, aus der der unerwartete Sound ertönte. So etwas konnte doch unmöglich aus denselben Boxen kommen wie die rührselige Schlagermusik, die zuvor gespielt wurde. Doch dann begriff ich. Wenn in einem Altenheim solche Musik Einzug gehalten hatte, dann lebten dort zwangsläufig auch Menschen meines Alters, Menschen, die wie ich aus einer Zeit stammten, die von Rockmusik geprägt war. Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. „Josef, Du bist alt,“ entfuhr es meinen Lippen, und wie zur Bestätigung dieser erschütternden Erkenntnis wurde nun nacheinander „Locomotive breath“ von Jethro Tull und Thin Lizzys „Whiskey in the jar“ aufgelegt. Mir schien es, als wäre meine Körperhaltung von diesem Moment an etwas gebeugter und mein Gang etwas schleppender gewesen. War ich mit meinen 64 Lenzen bereits auch ein Kandidat für's Altenheim oder befand ich mich etwa schon auf dem „Stairway to heaven“ oder schlimmer noch auf dem "Highway to hell" wie mir die Titel der nun folgenden Songs suggerieren wollten? Ich brauchte eine ganze Weile, um diesen Gedanken zu verarbeiten. Schließlich kam ich zu einer weiteren nicht minder beängstigenden Erkenntnis. Sollte in Zukunft im Rahmen einer Veranstaltung eines Seniorenheims jemals auch nur eine Zeile dieses monotonen Sprechgesangs eines Rap-Musikers an mein Ohr dringen, wüsste ich zweifelsfrei, dass ich kurz davor stehe, mein persönliches Verfallsdatum zu überschreiten und mein eigenes "Knockin' on heaven's door" zu vernehmen! 

(geschrieben am 05.12.2019)

Auflösung der Frage:
- „Der Mann im Mond“ (Gus Backus): Erscheinungsjahr 1961
- Mondlandung Apollo 11: 20.07.1969

 
   
Insgesamt waren schon 90736 Besucher (182811 Hits) auf dieser homepage!
Diese Webseite wurde kostenlos mit Homepage-Baukasten.de erstellt. Willst du auch eine eigene Webseite?
Gratis anmelden