Gedichte und Geschichten von Josef Festing
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Geglückte Bruchlandung
Geglückte Bruchlandung
(von Josef Festing)

In dem Jahr, als Menschen zum ersten Mal den Mond betraten, war ich 13 Jahre alt und hatte vermutlich, ebenso wie mein Bruder Reinhard und unser Freund Alfons, einen nicht minder ausgeprägten Drang nach Erkundungen und Abenteuer wie die damalige Apollo-Besatzung. Wir durchstreiften die umliegenden Wälder, stromerten durchs Dorf und stöberten auf Dachböden und Schrottplätzen herum, immer auf der Suche nach Unbekanntem und Spannung versprechenden Erlebnissen. Es war deshalb auch nicht verwunderlich, dass wir gelegentlich in Situationen gerieten, die, gelinde gesagt, nicht ganz ungefährlich waren. So fanden wir einmal unter den Dachziegeln unseres Schuppens ein Bajonett, mit dem wir anschließend den alten Birnbaum, der auf dem Nachbargrundstück in der Nähe des Glockenturms stand, durch waghalsige Wurfübungen traktierten. Die etwa 30 cm lange Klinge dieser Schwert ähnlichen Waffe blieb dabei nicht immer wie beabsichtigt im Baum stecken, sondern sprang bei ungünstigem Aufprallwinkel oft gefährlich zur Seite weg und landete nur knapp vor unseren Füßen. Ein andermal hatte Alfons irgendwo auf dem Bauernhof seiner Eltern einen Munitionsgurt aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt und ihn vor der Diele auf den Steinboden gelegt. In der Absicht, die in dem Metallgurt aneinander gereihten Patronen zum Detonieren zu bringen, bewarfen wir sie einer nach dem anderen mit Backsteinen, jedoch ohne irgendeine Wirkung zu erzielen. Wir wussten nicht, dass man die kleine runde Zündfläche am flachen Ende einer Patrone hätte treffen müssen, damit sich das in der Hülse befindliche Pulver entzündet. Da auch nach unzähligen Steinwürfen immer noch nichts passierte, nahmen wir an, dass die Munition veraltet sei und überließen sie ihrem Schicksal. Auf dem etwas abseits vom Dorf gelegenen Müllabladeplatz, den wir von Zeit zu Zeit ansteuerten, zündeten wir an manchen Tagen ein Feuer an und warfen die dort häufig zu findenden leeren Haarspraydosen hinein. Die Hitze brachte das in den Behältern vielfach noch in geringen Mengen vorhandene Treibgas irgendwann zur Explosion, und die aufgeplatzten Dosen flogen dann als scharfkantige Geschosse umher und manchmal auch gefährlich nah an unseren Köpfen vorbei. Dass bei all diesen Aktionen niemand von uns ernsthaft zu Schaden kam, war, wenn man es im Nachhinein betrachtet, reine Glücksache.

Das folgende Ereignis, von dem ich nun berichten werde, ist mir deshalb in besonderer Erinnerung geblieben, weil es zu den wenigen Vorkommnissen gehörte, bei denen Alfons in ungewohnter Weise auf die Hilfe von uns beiden Brüdern angewiesen war, obwohl er doch im Rahmen unserer Blutsbrüderschaft für gewöhnlich die Rolle des „Helfers“ einnahm. Es war an einem trüben Sommertag, die Schulaufgaben waren längst erledigt, als wir ungeduldig auf unseren Freund Alfons warteten, der wie üblich noch einige Arbeiten auf dem Hof zu erledigen hatte. Am späten Nachmittag kam er dann endlich angetrottet. Während Reinhard und ich voller Tatendrang waren, wollte sich Alfons lieber ausruhen und etwas spielen, was wenig Anstrengung erforderte. Mit einigem Geschick konnten wir ihn schließlich doch überreden, einen Erkundungsgang zum Pottberg zu unternehmen. Wir gingen querfeldein über Wiesen und Äcker und mussten dabei auch einige Zäune überwinden. Ein morscher Stacheldrahtzaun sorgte dafür, dass sich Alfons eine kleine Risswunde am rechten Oberschenkel zuzog, wobei ihn die Verletzung weniger zu interessieren schien, als das „Dreieck“ in seiner Hose. „Das gibt Ärger,“ grummelte er. Seine halbherzigen Anstrengungen, das wenige Zentimeter große Loch in der Hose mit seinen Fingern wieder zu verschließen, verliefen erwartungsgemäß ohne Erfolg. Mit allerlei Beschwichtigungen versuchten wir, die Stimmung unseres Freundes wieder aufzuhellen, was uns nach einer Weile offenbar auch gelang. So setzten wir unseren Weg unbekümmert fort, der uns schließlich zu einer Anhöhe führte, an dessen Hang ein großer Baum mit weit ausladender Krone stand. Dieser Baum war schon des Öfteren Ziel unserer Exkursionen gewesen, weil er auf Grund eines tief hängenden Astes relativ leicht zu erklimmen war und durch seine respektable Höhe stets einen grandiosen Ausblick bot. Kaum angekommen, schwang Reinhard sich in Windes Eile den Baum hinauf und kletterte artistisch in den Bereich der Krone vor, um es sich wenig später auf einer breiten Astgabel, den Stamm mit seinem linken Arm fest umklammernd, gemütlich zu machen. Er beobachtete uns mit einer Mischung aus Überlegenheit und Neugier und schien sich zu fragen, ob es uns auch gelingen würde, einen ähnlich komfortablen Ast mit einer ebenso guten Fernsicht zu finden wie er. Da Alfons und ich uns beim Erklimmen des Baumes inzwischen auch schon in beachtlicher Höhe befanden, konzentrierte ich mich auf jede einzelne meiner Bewegungen, um nicht Gefahr zu laufen, meinen Halt durch eine, wenn auch noch so kleine, Unvorsichtigkeit zu verlieren. Deshalb bekam ich auch nicht mit, wie sich Alfons in eine Lage manövriert hatte, aus der er sich, wie wir bald feststellen sollten, selbst nicht mehr zu befreien imstande war. Er hing mit ausgestreckten Armen an einem mittelgroßen Ast, während seine Beine in luftiger Höhe meterhoch über dem Erdboden baumelten. Auf der Suche nach einer geeigneten Astgabel, die er als Aussichtsplattform für sich ausgemacht hatte, war er, wie er später berichtete, beim Balancieren mit den Füßen abgerutscht und in diese missliche Lage geraten. „Ihr müsst mir helfen,“ flehte er uns mit weit aufgerissenen Augen an. Wir reagierten sofort und versuchten zunächst einmal, so nah wie möglich an ihn heran zu klettern. Dies stellte sich als äußerst schwierig heraus, denn der Ast, an dem er hing, war in dieser Baumregion sozusagen ein „Einzelexemplar“, zumindest was die Tragfähigkeit anbetraf. Deshalb riefen wir ihm zu, sich Richtung Baumstamm zu hangeln. Von dort aus wäre es ein Leichtes gewesen, ihn mit vereinten Kräften nach oben zu ziehen. „Das geht nicht,“ schrie er zurück. „Warum denn nicht?“ fragten wir mit einigem Unverständnis. „Meine Hände sind gefaltet und ich kriege sie nicht mehr auseinander,“ gab er uns mit leicht gequältem Unterton zu verstehen. Bis heute ist es uns unerklärlich, was unseren Freund dazu veranlasst hatte, bei der Umklammerung des Astes seine Hände wie zu einem Gebet ineinander zu verschränken. Wie es schien, blieb ihm in seiner jetzigen Lage auch kaum noch etwas Anderes übrig, als um göttlichen Beistand zu bitten. Unsere Aufforderung, sich nach oben zu ziehen und seine Beine über den Ast zu schwingen, um durch die damit zu erreichende Gewichtsverlagerung seine Finger wieder auseinander zu bekommen, wurde von ihm mit unbeholfenen Pendelbewegungen, die an einen sich windenden Regenwurm erinnerten, quittiert. Er war mit seinen Kräften offensichtlich am Ende und begann nun, mitleidsvoll zu jammern. Der Bedauernswerte befand sich jetzt schon mehr als eine Viertelstunde in dieser elenden Position. Seine Hände und Arme schmerzten mit jeder Minute mehr, die er an dem verwünschten Ast hing. Durch die unheilvolle Kombination seines überdurchschnittlichen Körpergewichtes mit der stetig darauf einwirkenden Erdanziehungskraft wurden seine Muskeln Faser für Faser langsam auseinander gezogen und bereiteten ihm ungeahnte Schmerzen. „Ich halte das nicht mehr aus!“ wimmerte er. Reinhard hatte sich inzwischen in halsbrecherischer Manier noch näher an den Ast herangearbeitet, den Alfons in ungewollter Weise mit seinen Händen weiterhin fest umklammert hielt. In seinem Selbstverständnis als „Allestrauer“ wagte sich mein Bruder nun auf einen bedenklich schmalen Ast, so dass man befürchten musste, dieser bräche jeden Moment krachend ab. Mit äußerster Vorsicht beugte er sich nach vorn und versuchte, mit seiner freien Hand die Finger unseres Freundes auseinander zu drücken. Doch, was er auch anstellte, die Hände schienen wie mit Sekundenkleber miteinander verhaftet zu sein. Alfons war verzweifelt und brüllte nun mit letzter Kraft und schmerzverzerrtem Gesicht: „Hau drauf!“ Reinhard und ich schauten uns entgeistert an. Unsere Blicke wanderten wie synchronisiert in die Tiefe, in der wir neben allerlei trockenem Gestrüpp auch einen mit Dornen besetzten Schlehenbusch ausmachten. „Worauf wartest du? Hau endlich drauf!“ drang es erneut an unsere Ohren und es klang so, als würde der Malträtierte alles in Kauf nehmen, um nur endlich von seiner Folter befreit zu werden. Nach kurzer Besinnung schlug Reinhard mit geballter Faust auf die gefalteten Hände unseres Freundes, doch es bewegte sich rein gar nichts. Erst beim dritten Schlag, der die beiden vorangegangenen an Heftigkeit bei Weitem übertraf, löste sich der „gordische Knoten“ und Alfons segelte mit exakt 9,81 Metern pro Sekunde schnurstracks Richtung Erdboden. Sekundenbruchteile später vernahmen wir den leicht gedämpften Aufprall seines Körpers, der nun rücklings inmitten des Schlehenbusches lag. So schnell wir konnten, kletterten wir den Baum hinunter, in der Hoffnung, dass Alfons nichts Ernsthaftes zugestoßen war. „Alles in Ordnung!“ rief er uns nach einer gefühlten Ewigkeit mit verhaltener Stimme zu und wir beeilten uns, ihn zu zweit so behutsam wie möglich aus dem Busch heraus zu ziehen. Außer zahlreichen Kratzern am ganzen Körper, ein paar zusätzlichen Löchern in der Hose und schmerzenden Armen, die seinem Gefühl nach bis zu den Kniekehlen reichten, war ihm, wie durch ein Wunder, nichts weiter passiert. Dies war in erster Linie dem Schlehenbusch zu verdanken, der genau an der richtigen Stelle stand und durch seine abfedernde Wirkung die Wucht des Aufpralls entscheidend gemindert hatte. Nachdem wir den Schreck einigermaßen verdaut hatten, nahmen wir uns freudestrahlend und voller Erleichterung in die Arme. Die Besatzung der Mondfähre, die nur wenige Wochen zuvor eine erfolgreiche Landung auf unserem Nachbarplaneten durchgeführt hatte, kann nicht glücklicher gewesen sein als wir es über die „geglückte Bruchlandung“ unseres besten Freundes im Dornbusch waren. Nur schade, dass wir mit unserer abenteuerlichen Aktion nicht in den Geschichtsbüchern gelandet sind.


(geschrieben am 29.01.2019, frei nach einer wahren Begebenheit)

Erwischt hätt's 'mal den Alfons fast,
er hing wie'n nasser Sack am Ast.
Der Reinhard kletterte hinauf
und haute mit den Fäusten drauf.
Man hörte nur ein leises Quaken,
schon lag der Ali in den Braken.
So hat der Reinhard ihn gerettet,
der Ast war halt nicht eingefettet.

 
   
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