Gedichte und Geschichten von Josef Festing
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Altersweisheit
Altersweisheit
(von Josef Festing)

Wenn ich in den letzten Jahren meinem fortschreitenden Alterungsprozess mehr oder weniger durch Ignoranz begegnet bin, so habe ich inzwischen doch die niederschmetternde Realität des körperlichen Verfalls zur Kenntnis nehmen müssen. Mein schon seit langem gehegter Wunsch nach einem „Astralleib“, der nach religiöser Lehre den Menschen bzw. dessen Seele umgibt und den Tod des materiellen Körpers überdauert, hat in meinem Leben zunehmend an Attraktivität gewonnen. Aber so einen Astralleib gibt es zu Lebzeiten ja vermutlich nicht und somit muss ich die leidigen altersbedingten Beschwerden wohl noch eine ganze Weile hinnehmen. Andererseits hat das Alter neben dem Umstand, dass man nicht mehr zur Arbeit muss, den nicht zu unterschätzenden Vorteil von Weisheit und Erfahrung. Manche mögen behaupten, dass man den Großteil des im Laufe des Lebens erworbenen Erfahrungsschatzes mangels Gelegenheit gar nicht mehr nutzen kann, doch habe ich schon des Öfteren festgestellt, dass man diverse Lebensweisheiten gelegentlich auch gut an die jüngere Generation weitergeben kann. Vorausgesetzt, sie ist den weisen Ratschlägen gegenüber auch aufgeschlossen, so wie beispielsweise unser Schwiegersohn, der in diesem Jahr unsere Tochter Nora geheiratet hat. Kurz vor der geplanten Hochzeit am 1. Oktober saßen wir noch einmal beieinander, um Einzelheiten der Feier zu besprechen. Philipp, so heißt unser Schwiegersohn, hatte sich einen neuen Anzug und ein dazu passendes Oberhemd gekauft. Ich fragte ihn, ob er denn auch ein für solche Anlässe übliches Kavaliertaschentuch besäße. Er schaute mich fragend an. Ich ging ins Schlafzimmer und holte aus unserem Kleiderschrank einen ganzen Stapel gebügelter Stofftaschentücher. Diese breitete ich wie ein gut gemischtes Kartenspiel vor Philipp aus mit den Worten: „Such‘ Dir eins aus.“ Seine Wahl fiel auf ein schlicht weißes. „Glaub’ mir, damit kannst Du im richtigen Moment kolossalen Eindruck schinden,“ versuchte ich ihn vom Nutzen eines solchen Utensils zu überzeugen. Ich war mir aber keineswegs sicher, ob er meinen Worten auch nur ansatzweise Glauben schenkte.

Wenige Tage später befanden wir uns im Foyer des Braunschweiger Rathauses und warteten darauf, zur standesamtlichen Trauung aufgerufen zu werden. Wegen der Corona-Einschränkungen durfte nur der engste Familienkreis und die Trauzeugen an der Zeremonie teilnehmen. Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung war zwingend vorgeschrieben.

Nach einer Weile bat uns eine weibliche Angestellte, ihr zu folgen. Wir betraten einen unerwartet großen Raum, an dessen Decke ein kristallener Kronleuchter hing. Die in dem Raum befindlichen Stühle schienen auf die Anzahl der anwesenden Personen abgestimmt zu sein und standen in Corona bedingtem Sicherheitsabstand neben- und hintereinander. Das Brautpaar saß schräg vor mir an einem weißen Tisch. Auf der anderen Seite des Tisches begrüßte uns eine etwa 45 Jahre alte Standesbeamtin in schwarzem Kleid mit auffälligem Blumenmuster.


Die etwa 15-minütige Zeremonie fand in feierlicher Atmosphäre statt und war reich an emotionalen Momenten. Nora hatte ihr Make-Up in weiser Voraussicht mit einem von ihrer Schwester empfohlenen sogenannten Bridalspray fixiert, damit die mühsam aufgetragene Schminke durch eventuellen Tränenfluss nicht verläuft.

Nach und nach näherte sich der Trauungsakt so seinem Höhepunkt und die Standesbeamtin stellte den Brautleuten schließlich nacheinander die obligatorische Frage nach ihrer Bereitschaft, den Bund der Ehe miteinander einzugehen. Nachdem beide dies mit den Worten: „Ja, ich will,“ bezeugt hatten, sah ich, dass Philipp in seine rechte Hosentasche griff und etwas herauszog. Ich nahm an, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen war, an dem die Ringe zum Einsatz kämen. Aber nein, Philipp hatte sein weißes Stofftaschentuch gezückt, um seiner frisch angetrauten Ehefrau damit zärtlich eine Träne von der linken Wange zu wischen. Dies blieb der Standesbeamtin keineswegs verborgen und versetzte sie offensichtlich in pures Entzücken. An Philipp gewandt sagte sie: „Ein wahrer Gentleman und das auch noch mit einem echten Kavaliertaschentuch, alle Achtung!“

Philipp strahlte übers ganze Gesicht. Als wir Minuten später das Standesamt verließen, beugte sich Philipp zu mir hinunter - er ist ein ganzes Stück größer als ich - und flüsterte: „Josef, es hat tatsächlich funktioniert. Dein Tipp war goldrichtig!“ Ich gab ihm einen väterlichen Klaps auf die Schulter und erwiderte lässig: „Siehst Du, hab‘ ich dir doch gesagt!“

Im Anschluss an die Trauung fand die eigentliche Hochzeitsfeier dann im Restaurant „Grüner Jäger“ in Riddagshausen statt. Nach dem Festmahl und meiner Rede als Brautvater entwickelten sich unter den Hochzeitsgästen muntere Gespräche. Auch das Thema Fußball wurde nicht ausgespart. Alle Blicke richteten sich schließlich auf mich, als Philipp mir folgende Frage stellte:


„Nun sag‘ mal, weiser Schwiegervater, wie ist denn dein Tipp für das Spiel unserer Eintracht am Samstag im Derby gegen die Mannschaft aus der Stadt westlich von Peine?“ Noch beseelt von meiner grandiosen Vorhersage in Bezug auf die Nützlichkeit von Stofftaschentüchern sagte ich als erfahrener Fußballexperte einen klaren Eintracht-Sieg voraus. - An dieser Stelle möchte ich die Geschichte beenden und mich lieber wieder meinen zahlreichen Alterswehwehchen widmen. So schlimm sind die eigentlich gar nicht!

Anmerkung:

Dritter Spieltag 2. Fußballbundesliga Saison 2020/2021 (03.10.2020)

95+1 gegen Eintracht: Endergebnis 4:1

(geschrieben am 15.10.2020)
www.joseffesting.de.tl

 
   
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